Am vergangenen Wochenende fand das Literaturcamp Heidelberg zum zweiten Mal statt und wir waren auch dieses Jahr wieder als Sponsor mit dabei. Ich hatte das große Glück, als Ansprechpartner für tolino media bei dem vielleicht besten Barcamp überhaupt viele neue Leute kennenlernen und spannende Sessions miterleben zu dürfen. Warum sich wirklich jeder Literaturinteressierte das #litcamp18 schon jetzt mit Textmarker im Kalender markieren sollte, erfahrt ihr in meinem Nachbericht.
Das Rundum-Sorglos-Paket
Wer bereits auf anderen Barcamps unterwegs war, der kennt die Grundgepflogenheiten: alle Teilnehmer duzen sich, man hilft sich gegenseitig, räumt seinen Müll auf, bringt das Internet mit dem passenden Hashtag (#litcamp17) in allen Social Networks zum Beben und hält als Neuling mindestens eine Session, denn sonst drohen 400 € Strafe vom Litcamp-Team. Okay, vielleicht sehen Susanne Kasper und ihr engagiertes Orga-Team auch großzügig darüber hinweg, aber ein Barcamp lebt vor allem von der Spontanität und Eigendynamik der Sessions, dem Netzwerken und dem Wissensaustausch.
Die zwei herausragendsten Eigenschaften, die insbesondere das Literaturcamp Heidelberg auszeichnen, sind darüber hinaus mit großem Abstand die perfekte Organisation und die unbändige Sympathie und Energie, die das Camp durchziehen und alle Teilnehmer ab der ersten Sekunde anstecken.
- Ihr seid Hundebesitzer und findet keine Betreuung? Kein Problem, denn Hunde sind auf dem #litcamp willkommen.
- Der Babysitter für die Kinder hat ebenfalls abgesagt? Die Kinderbetreuer kümmern sich gerne um euren Nachwuchs.
- 36 Grad im Schatten? Nutzt einfach die Slush-Eis-Maschinen und den Getränkewagen mit gekühlten Flaschen. Kostenfrei, versteht sich. Ach, und ein aufblasbarer Pool zum Abkühlen darf auch nicht fehlen.
- Fast 90 Sessions (!) an zwei Tagen sprengen die Räumlichkeiten? Na dann machen wir doch spontan noch ein paar neue „Räume“ im Innenhof oder vor der Lobby auf. Dass bei der Raumplanung auch auf Barrierefreiheit für gehbehinderte Besucher geachtet wird, gehört hier nicht nur zum guten Ton, sondern fast schon zur Selbstverständlichkeit.
Für das leibliche Wohl war auch dieses Jahr wieder mit leckeren Brotaufstrichen vom Teekesselchen sowie mit veganen Leckerbissen gesorgt. Trotz allem sind das Herz eines Barcamps natürlich die Sessions, und diese deckten erneut eine sehr große inhaltliche Bandbreite ab.
Der Trend geht zum Self-Publishing
Diese Überschrift mag vielleicht etwas parteiisch klingen, aber tatsächlich war für viele der anwesenden Autoren Self-Publishing das große Thema, das sich durch viele Sessions zog. Sei es als Austausch zu Marketingstrategien, Erfahrungsberichte oder die Diskussion neuer Vertriebsmodelle („Quo vadis, Buchbranche?“) , Self-Publishing war stets präsent und einer der inhaltlichen Hauptanknüpfungspunkte. Das galt freilich nicht nur für Autoren, sondern auch für Blogger, Verlagsmitarbeiter und Lektoren, die die Sessions zum Teil gezielt nutzten, um sich zu SP weiterzubilden oder gar allererste Informationen dazu einzuholen.
Meine Session zu den Unterschieden zwischen Verlags- und Self-Publishing-Autoren entwickelte sich schnell zu einer Diskussionsrunde zur Wandlung des Buchmarkts, wobei ich tatkräftig von unserer Autorin Stina Jensen („InselFARBEN-Reihe“) unterstützt wurde, die als Hybridautorin aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen konnte.
Ingeborg Helzle von der eBookerei verriet Tipps & Tricks, wie Autoren ihr Manuskript durch sauberes Arbeiten mit Formatvorlagen schon vor der Konvertierung möglichst barrierefrei gestalten können, damit das Buch anschließend von Screen-Reading-Software auf entsprechenden Lesegeräten flüssig vorgelesen werden kann.
Besonders spannend waren außerdem die Sessions, die sich nur indirekt mit Büchern oder dem Literaturbetrieb beschäftigten, aber zur kulturellen und gesellschaftlichen Vielfalt beitrugen. So berichtete Dana Diezemann, mit viel Humor und Kampfeswillen von ihrer Transition und dem Thema „Diversity“, bei dem insbesondere gegenüber trans Menschen noch viel Nachholbedarf bei der gesellschaftlichen Akzeptanz und Gleichberechtigung besteht.
Su Steiger organisierte am Samstagabend einen improvisierten Poetry-Slam und Susanne Kasper griff ihre Session von letztem Jahr zu den „Covern des Grauens“ noch einmal auf.
Besonders toll: Wer selbst nicht dabei sein konnte, hatte die Möglichkeit, die Sessions im Hauptraum über einen Livestream online zu verfolgen. Auf dem YouTube-Channel des Literaturcamps gibt es inzwischen schon die ersten Aufnahmen des Streams.
Fazit: Eine Veranstaltung auf „Augenhöhe“
Das Schöne an Barcamps ist, dass man als Teilnehmer nicht nur lernt, über den Tellerrand zu blicken und Neues zu erfahren, sondern auch die wunderbare Atmosphäre zum Netzwerken genießen kann. Dabei gelingt es einem Barcamp dennoch nur selten, dass sich alle Teilnehmer derart auf „Augenhöhe“ begegnen wie in Heidelberg. Autoren wie Blogger, Verleger wie Buchhändler diskutieren emotional, hitzig, aber stets respektvoll und gleichberechtigt miteinander. Susanne, Dirk und das gesamte restliche Team bieten hierzu lediglich den organisatorischen Rahmen. Befüllen müssen ihn die Teilnehmer selbst.
Ich persönlich freue mich schon jetzt enorm auf das #litcamp18 und bin sehr gespannt, welche Teilnehmer man als „Wiederholungstäter“ begrüßen wird – denn überraschender Weise war mindestens die Hälfte aller Anwesenden dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt auf einem Barcamp. Wenn jetzt noch die etwas überlange Vorstellungsrunde am ersten Tag gestrafft wird, entfällt auch so ziemlich der einzige Kritikpunkt an der Veranstaltung.
Danke, Susanne, für zwei rundum gelungene, vollgepackte Literaturtage.
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