Nancy Salchow

Von Millionären, Bad Boys und dem Trend, im Trend zu liegen

Es war im Sommer 2016, als ich mich in einer Art Schaffenskrise befand. Ich hatte bis dahin nur am Rande mitbekommen, dass Millionär-Romane längst zum Trend in der Unterhaltungsliteratur mutiert waren.

Gab es den Boom schon vor „50 Shades of Grey“? Oder erst danach? Ehrlich gesagt hatte ich mich vorher nie mit dieser Frage beschäftigt. Aber dann kam – ich erwähnte es schon – meine Schaffenskrise. Es war immer schwerer geworden, sich trotz vorausgegangener Erfolge zwischen all der Konkurrenz durchzusetzen und ich fing an, an mir zu zweifeln.

Vom Autor zum Millionär

Als ich den Millionär-Trend zum ersten Mal bewusst wahrnahm, fiel mir ein erst kurz zuvor fertiggestellter Roman von mir ein, in dessen Mittelpunkt ein sehr berühmter Schriftsteller und seine übereifrige Assistentin standen. Ich hing sehr an der Geschichte, fragte mich aber, was wohl passieren würde, wenn ich eben diesen Autor zum Millionär mache (denn reich war er ja ohnehin schon) und das ganze Buch dementsprechend umbenenne. War es denn wirklich möglich, dass dieser kleine Schritt die Sichtbarkeit meines Buchs vergrößern würde? Mein Ehrgeiz war geweckt, meine Neugier sowieso. Was würde passieren, wenn ich diesen Versuch in die Welt hinauslassen würde?

Das Ergebnis überraschte mich komplett. Das Buch schoss sofort in die Bestsellerliste, der Erfolg übertraf all meine Erwartungen. Nicht nur meine altvertrauten Leser freuten sich über die Geschichte, sondern ich fand, gerade durch meinen Mut, diesen Trend zu bedienen, auch viele neue Leser. Rückblickend kann ich sagen, dass mir ebendieser Mut aus meiner Krise heraushalf.

Von diesem Zeitpunkt an schrieb ich immer mal wieder einen Millionär-Roman, natürlich nicht ausschließlich, aber ich merkte einfach, wie gut jeder neue Millionär bei meinen Leserinnen ankam, vor allem, weil ich mir große Mühe gab, keine gängigen Klischees zu bedienen, sondern dem reichen Kerl immer eine selbstbewusste Frau gegenüberstellte, die auf eigenen Beinen steht. Ich wollte meine eigenen Ideen verwirklichen, indem ich Titelheldinnen schuf, die eben nicht sabbernd vor ihrem Traummann stehen und ihren eigenen Charakter vergessen, nur um sich dem reichen Schönling unterzuordnen. Auch die unterschwellige Botschaft war am Ende immer dieselbe: Geld kann niemals die Antwort auf ein glückliches Leben sein.

Was ist schon kein Trend?

Natürlich gab und gibt es sowohl unter Lesern als auch Autoren Skeptiker, was die sogenannten Trendthemen angeht. Manche werden zum Beispiel nicht müde zu betonen, dass sie es nicht nötig hätten, Trends zu bedienen. Allerdings frage ich mich, ob man das überhaupt so klar definieren kann. Ebenso gut könnte man sagen, dass man es nicht nötig hätte, Romane mit Happy End zu schreiben oder Geschichten, in denen jemand sein Herz verliert. Streng genommen bedient doch fast jeder Liebesroman irgendeinen Trend, mal bewusst, mal unbewusst. Wie bei allem im Leben kommt es doch immer auf das WIE an – und darauf, jedem Werk seine ganz eigene Note zu geben und seinem eigenen Stil treu zu bleiben. Das kann sogar eine spannende Herausforderung sein.

Was für mich zum Beispiel absolut nicht in Frage kommt, ist das Schreiben einer Geschichte, die mir keine Freude bereitet. Wenn ich ein Buch schreibe, dann immer nur, weil ich Lust darauf habe. Sobald ich darüber nachdenke, blind irgendeinem Trend zu folgen, der nicht mit meinen Prinzipien vereinbar ist, habe ich die Liebe zum geschriebenen Wort verloren – und von dem Moment an würde das Schreiben für mich keinen Sinn mehr machen. Ich muss die Geschichte spüren, muss mit meinen Titelhelden mitfühlen, muss fest daran glauben, dass sie ihren eigenen Weg finden – und das geht nicht, wenn ich mitten im Schreibprozess darüber nachdenke, was gerade gut bei den Lesern ankommt. Deshalb lautet mein Fazit: Trendromane – gern, aber nur, wenn es lediglich einen gemeinsamen Nenner gibt, wie z.B. einen reichen Typen, ich es dabei aber vollkommen selbst in der Hand habe, meine eigene Theorie dieses Trends zu spinnen. ICH bin der Boss meiner Geschichte, ICH bin der Kämpfer gegen die Klischees, wenn ich vor dem Laptop sitze. Und gerade das finde ich überhaupt so spannend dabei: Ein wenig mit den Trends zu spielen und zu zeigen, dass es auch anders geht. Mittlerweile bediene ich das Millionär-Thema zwar nicht mehr, möchte aber nicht komplett ausschließen, dass ich absichtlich oder vielleicht sogar versehentlich mal wieder einen dieser Trends ausprobiere. Warum auch nicht? Solange es den Lesern und mir Freude bereitet?

Allergisch auf den Millionär

Dass sich hier und da eine gewisse Trend-Allergie unter Lesern oder auch Autoren entwickelt, kann ich ehrlich gesagt trotzdem gut verstehen. Ab einem gewissen Punkt ist man von gewissen Themen und Cover-Stilen übersättigt. Allerdings vertrete ich gleichzeitig die Meinung, dass jeder Trend seine Daseinsberechtigung hat, solange es genügend Fans gibt und ebenso viele Ausweich-Optionen für diejenigen, die einen anderen Geschmack haben. Ich zum Beispiel kriege jedes Mal eine handfeste Krise, wenn ich Musik im Despacito-Stil höre. Bei jedem typisch spanischen Sommerhit bekomme ich einen spontanen Fluchtinstinkt und schalte sofort einen anderen Radiosender an – mit etwas Glück läuft ja vielleicht auf genau diesem Sender gerade etwas von Clueso oder Philipp Poisel. Trotz allem würde ich es mir niemals erlauben, die guten Chartpositionen spanischer Sommertitel in Frage zu stellen. ICH finde sie zwar gruselig, aber das heißt ja nicht, dass es anderen genauso gehen muss.

Was ich damit sagen will: Man sollte niemals den Fehler machen, einen Roman danach zu beurteilen, ob er einem Trendthema folgt. Ich kann jedenfalls erhobenen Hauptes sagen, dass jeder meiner Romane mit Herzblut geschrieben ist und stets eine wichtige Botschaft in sich trägt. Ich stehe hinter jeder Zeile – und das mit ganzem Herzen. Und ich bin mir sicher, dass es auch vielen anderen Autoren so geht, die sich an ein Trendthema heranwagen. Oft sind es auch lediglich Name und Cover des Buchs, die dem Trend entsprechen, während die Geschichte selbst ihrem ganz eigenen Stil folgt.

Vielleicht ist es ein bisschen vergleichbar mit einer besonders leckeren Erdbeermarmelade, die sich geschmacklich keineswegs hinter den Konkurrenzprodukten verstecken muss, allerdings ein etwas auffälligeres Layout für ihr eher schlichtes Glas benötigt, um mehr Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Der Kunde will angelockt werden – also tun wir ihm doch den Gefallen. Schließlich zählt doch am Ende nur der zufriedene Verbraucher mit dem Marmeladenbrötchen in der Hand, der sein Frühstück genießt. Der Trend, zu auffälligen Produktdesigns zu greifen, hat ihn auf die Marmelade aufmerksam gemacht – aber der Inhalt des Glases ist es, der ihn auch beim nächsten Mal wieder zugreifen lässt.

Probieren geht über Studieren

Die Trends gehen mittlerweile natürlich längst über die Millionäre hinaus, vermutlich kann man sogar behaupten, dass die Zeit der reichen Kerle langsam vorbei ist. Man kann nun viele Anzugträger, muskulöse Oberkörper und tätowierte Schultern auf Buchcovern bewundern, oft die Schlagworte „Bad Boy“ oder „Boss“, gern auch in Kombination. Vermutlich gehört das nun einfach dazu. Manche Trends kann man selbst ausprobieren (als Autor oder auch als Leser), manche kann man ignorieren. Das ist ja das Schöne daran: die Auswahl ist groß. Alles kann, nichts muss.

Ich jedenfalls bin dankbar dafür, mich immer wieder neu ausprobieren zu können, vielleicht sogar meine eigenen Trends zu schaffen. Das Schreiben macht mich frei, die Fantasie ist grenzenlos und die Optionen unendlich. Alles, was ich will, ist, Geschichten zu erzählen, die mir auf der Seele brennen. Letztendlich kommt es nur darauf an, als Autor den eigenen Zeilen eine ganz persönliche Note zu geben und als Leser jede Geschichte mit dem eigenen Kino im Kopf zu verfolgen. Denn sind es letztendlich nicht wir alle, egal ob beim Schreiben oder beim Lesen, die den Geschichten ihre eigene Note geben?

Nancy Salchow, geboren 1981, hat seit ihrer Kindheit den Traum, Schriftstellerin zu werden. Als sie sich 2011 mit ihren Werken erstmals an die Öffentlichkeit wagt, gewinnt sie direkt einen bundesweiten Literaturwettbewerb. Seitdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht, sowohl im Verlag (Droemer Knaur, Heyne) als auch im Selfpublishing, das Bestseller für die Autorin mit sich brachte. Egal, ob in ihren Liebesromanen, autobiografischen Schicksalsberichten oder Familienromanen, das große Gefühl ist der Autorin in jeder ihrer Geschichten besonders wichtig. Sie lebt mit ihrem Partner, drei Hunden, fünf Katzen, einigen Hühnern und Enten in der Nähe von Wismar, direkt an der schönen Ostsee, was auch der Grund dafür ist, dass viele ihrer Bücher am Meer spielen.
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