Sanduhr mit blauem Sand auf Kiesstrand, Symbol Zeitreiseromane

Zurück in die Zukunft – Zeitreiseromane ohne Logikfehler

Zeitreiseromane ziehen Logikfehler magnetisch an: Einmal nicht aufgepasst, landet man in Paradoxen und Unstimmigkeiten, die die Fans des Genres sofort bemerken. Wie stellst du sicher, dass deine Zeitreisegeschichte stimmig ist? Und ist Logik eigentlich das wichtigste beim Zeitreisen?


Geschichten müssen logischer sein als die Realität – das wissen wir AutorInnen nur zu gut. Zufälle und Ungereimtheiten, die im echten Leben durchaus passieren können, wirken in einem Roman schnell lächerlich.

In den meisten Genres können wir kleinere Logikfehler leicht kaschieren. Mit einer Ausnahme: Zeitreiseromane. Zeitreisefans wie ich lieben es, nach Logikfehlern in der Geschichte zu suchen – darin besteht ein wenig der Reiz. Und selbst weniger ausgekochte LeserInnen werden sich daran stören, wenn sie über offensichtliche Paradoxen stolpern. Das ist die wahre Gefahr von Logikfehlern: Sie lenken von deiner Geschichte ab. Dafür muss das Zeitreisen noch nicht einmal im Mittelpunkt stehen. Selbst wenn es nur als Gadget fungiert – wie zum Beispiel der „Zeitumkehrer“ im dritten Harry-Potter-Band – können grobe Logikfehler dafür sorgen, dass dein Leser nur noch den Kopf schüttelt.

Ich selbst habe mich während der Arbeit zu meinem Thriller Das Register ausführlich mit den Sackgassen und Stolperfallen des Zeitreisens beschäftigt. Dies hier ist ein Leitfaden, wie ich ihn selbst gerne gehabt hätte.

Die Faustregel für Zeitreiseromane

Eigentlich musst du nur eine einzige Regel beherzigen, wenn du Zeitreisefehler verhindern willst:  Jeder einzelne Abschnitt im Strom der Zeit ist unveränderbar. Sobald Ereignisse verändert oder überschrieben werden, wirst du unweigerlich in Logikfehler hineinrutschen. Nur … Moment. Geht es beim Zeitreisen nicht genau darum, diese Regel zu brechen? Nicht unbedingt. Es gibt verschiedene Zeitreisemechaniken und manche verletzen die obige Regel, manche nicht. Beim Plotten deiner Geschichte frage dich also zuerst, welche Art der Zeitreise du einsetzen willst. Es gibt vier verschiedene Varianten.

Zeitreisen in die Zukunft

Wir starten mit der ungefährlichsten Variante, einer Reise in die nahe oder entfernte Zukunft. Berühmtestes Beispiel dieser Variante ist der “Ur-Roman” des Zeitreise-Genres, Die Zeitmaschine von H.G. Wells. Bei dieser Zeitreise werden nur Ereignisse manipuliert, die noch nicht geschehen sind. Das ist sehr gut! Die Zeitreisegrundregel wird nicht verletzt, Logikfehler sind nahezu ausgeschlossen. Wichtig ist, dass der Zeitreisende zum exakten Startpunkt seiner Reise zurückkehrt, nicht weiter zurück.

Nachteil: Die meisten Zeitreiseromane leben von der Idee, dass man die Vergangenheit ändern kann. Doch auch eine Zeitreise in die Zukunft kann aufregend sein. Beispielsweise könnte der Protagonist seinen erwachsenen Kindern oder Enkeln begegnet. Oder sich selbst.

Zeitreisen in die Vergangenheit, Variante 1: Fixe Zeitlinie

Eine ebenfalls sichere Variante: Zeitreisen in die Vergangenheit, in deren Verlauf die Vergangenheit unverändert bleibt. Der Protagonist versucht zum Beispiel, ganz klassisch, seinen Großvater zu ermorden, aber egal, was er anstellt, der Mordversuch schlägt fehl. Auf welche Art sich die Vergangenheit schützt, ist eine Frage der Ausgestaltung. In Stephen Kings Der Anschlag kämpft der Zeitreisende, sobald er ans Werk gehen möchte, gegen starke Kopfschmerzen und Brechdurchfall – das Universum kann sich durchaus kreativ gegen Manipulation wehren. Eine Spielart dieser Variante ist es, wenn der Zeitreisende die Vergangenheit zwar ändert, doch damit nur bewirkt, dass in der Zukunft alles beim Alten bleibt. Eine selbsterfüllende Prophezeiung sozusagen. Und wenn einem gar nichts anderes einfällt? Dann kann man zu “Zeitwächtern” oder ähnlichen Aufpassern greifen.

Nachteil: Sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Die Geschichte, dass wir unsere Vergangenheit nicht ändern können, wurde schon oft erzählt. Natürlich kann man das als kreative Herausforderung begreifen, aber ich persönlich finde die Idee einer “sturen Vergangenheit” etwas lahm.

Zeitreisen in die Vergangenheit, Variante 2: Multidimensionale Zeitlinie

Jetzt wird’s kompliziert. Durch die Zeitreise unserer Figuren spaltet sich der Zeitstrom, es entsteht eine alternative Zeitlinie. Die Idee ist inspiriert von der “Viele-Welten-Theorie” der Quantenphysik und damit die einzige Art der Vergangenheitsreise, die zumindest einige Wissenschaftler für möglich halten. Alternative Zeitlinien sind zwar etwas komplex, aber inzwischen ein gängiges Werkzeug in vielen Büchern und Filmen. Deine Leser kennen das Konzept also.

Nachteil: Unsere Romanfiguren können nicht ihr eigenes Leben verbessern, sondern nur das eines alternativen Ichs. Daraus können sich trotzdem spannende Geschichten entspannen – beispielsweise könnten die Doppelgänger versuchen, sich gegenseitig auszuschalten, wie in Blake Crouchs Der Zeitenläufer.

Zeitreisen in die Vergangenheit, Variante 3: Eindimensionale Zeitlinie

„Welcome to the Danger Zone“. In dieser Variante verändern die Zeitreisenden ihr eigenes Leben, indem sie rückwirkend die eigene Vergangenheit manipulieren. Ein Klassiker, nicht erst seit Zurück in die Zukunft. Dieses Szenario kommt kaum ohne Logikfehler aus. Jede kleine Änderung in der Vergangenheit führt, wenn man sie lange genug durchdenkt, zu Paradoxen. Das heißt nicht, dass diese Art des Zeitreisens per se ausscheidet. Du solltest nur wissen, worauf du dich einlässt und die Geschichte mit ihren verschiedenen Zeitsträngen gut durchdenken (oder noch besser aufmalen).

Neben Paradoxen handelst du dir bei der dynamischen Zeitlinie ein weiteres Problem ein: Die Zeitreise könnte die ganze Geschichte sinnlos wirken lassen. Schließlich lebt eine Geschichte von Konflikten. Und Bedrohungen. Und der Möglichkeit, dass alles, was schief gehen kann, auch wirklich schief geht. Wenn deine Helden nun aber jeden ihrer Fehler rückgängig machen können … wofür kämpfen sie dann eigentlich? Dieses Problem musst du unbedingt von Beginn an mitdenken. Meist ist das Dilemma lösbar. Der „Zeitumkehrer“ bei Harry Potter darf beispielsweise nur unter strengen Auflagen verwandet werden. In meinem Buch Das Register sind die Möglichkeiten des Zeitreisens technisch beschränkt. Was zunächst wie eine Zwickmühle wirkt, bietet dir also die Möglichkeit, eine eigene, einzigartige Welt zu entwerfen.

Hauptsache logisch?

Die meisten Zeitreiseromane halten sich nicht sklavisch an die oben genannten Regeln. Manche AutorInnen springen zwischen den verschiedenen Arten des Zeitreisens hin und her, oft unbewusst. Das ist nicht immer schlimm – bei aller Logik ist es immer noch die Geschichte, die Zeitreiseromane unterhaltsam und mitreißend machen. Dass das Zeitreisen einige theoretische Lücken hat, ist meist kein Problem – man sollte die Protagonisten nur nicht von einem Paradoxon ins nächste schicken. Sonst wirkt der ganze Roman widersinnig.

Letztendlich sind Zeitreisen nicht mehr als eine Prämisse: es liegt an uns als AutorInnen, eine gute Geschichte daraus zu machen.

                                                                                                    

Über den AutorAutor Marcel Mellor

Marcel Mellor ist Autor, Blogger und Digitalstratege. Für seinen Zeitreise-Thriller „Das Register“ (www.register-das-buch.de) beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte und den verschiedenen Aspekten des Zeitreisens.

 

 

 

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3 thoughts on “Zurück in die Zukunft – Zeitreiseromane ohne Logikfehler

  1. Hi, danke für diese Zusammenfassung. Ich bin hier gelandet, weil ich mir in der Quarantäne ein paar staffeln outlander angeschaut habe und mir eine Sache sehr seltsam aufgestoßen ist. Wenn man von 1968 200 Jahre zurück reist und dort ein paar Jahre lebt, dann ermordet wird, wird man dann überhaupt nochmal geboren? Und wen ja, dann wiederholt sich ja die gleiche Geschichte permanent?

    1. Das ist eine interessante Frage 😉 Du kannst dich gerne mit deiner Frage an den Autor des Artikels wenden. Den Kontakt über seine Website findest du im Artikel.

    2. Hey Johanna, tja das kommt drauf an 😉 Bei einer multidimensionalen Zeitlinie wären zwei Zeitstränge entstanden. In einem dieser Stränge wird man nie geboren, taucht dafür aber plötzlich in der Vergangenheit auf. Bei einer eindimensionalen Zeitlinie (bei den meisten Serien und Filmen der Fall) landet man in einem klassischen Paradoxon.

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