Stellt euch vor, ihr seid allein im Wald. Der Baumbestand wird mit jedem Schritt dichter, das Unterholz raschelt, feine Äste streifen durch euer Gesicht. Doch all das bemerkt ihr kaum, denn ihr seid auf einer Mission: euer erster Geocache.
Das GPS-Gerät weist euch den Weg, in gebückter Haltung kämpft ihr euch durchs Dickicht, euer Blick tastet den Boden ab. Da! Dieser Reisighaufen sieht auffällig unauffällig aus. Ihr eilt zu der Stelle und bückt euch. Hebt vorsichtig die Stöckchen an und schiebt das Moos beiseite. Ja, da ist etwas! Eine helle Kunststoffdose. Schnell holt ihr die Dose aus ihrem Versteck, stolz, den ersten Geocaching-Schatz gefunden zu haben. Ihr öffnet die Dose und schaut hinein. Doch was ist das?!
Als ich vor zwölf Jahren mit dem Geocaching begann, war es noch ein Geheimtipp für Nerds und ein geheimnisvolles und spannendes Hobby. Doch wenn ich davon erzählte, kam ganz oft die Frage: „Hast du keine Angst, dass da irgendwelche Knochen drin liegen?“ Nein, Angst hatte ich nicht – aber sofort eine Idee.
Eine Geschichte begann in mir zu reifen, gegen die ich mich gar nicht wehren konnte. Also schrieb ich die Erstfassung von „Knochenfinder“, die ich allerdings noch mehrmals überarbeitet habe. Mir fehlten anfangs einfach die Erfahrung und das nötige Handwerk.
Vom Geocaching im Wald zum Stipendium auf dem Gutshof
Als ich endlich mit dem Manuskript fertig war, tat ich etwas, worüber ich bis heute den Kopf schütteln muss: Ich reichte es bei einer Ausschreibung für ein Literaturstipendium ein. Und es geschah das für mich vorher Undenkbare: Mein Manuskript wurde ausgewählt! Die Kunststiftung des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglichte mir damit ein zweimonatiges Literaturstipendium im Künstlerdorf Schöppingen im Münsterland. Acht Wochen lang wohnte ich mit anderen Schriftstellern und bildenden Künstlern auf einem großen ehemaligen Gutshof und verdiente mein erstes Geld als Schriftstellerin.
Im Künstlerdorf konnte ich mich dann intensiv mit dem Text befassen und nach Feierabend die Münsterländer Geocaches suchen. Das Stipendium war eine wichtige Erfahrung, die mich in meiner schriftstellerischen Laufbahn weit gebracht hat. Nach dem Ende des Stipendiums musste ich wieder zurück in meinen Uni-Job, bewarb mich aber gleichzeitig bei Literaturagenturen. Und es dauerte nicht einmal eine Woche, bis sich meine Wunschagentur bei mir meldete und mich unter Vertrag nahm.
Nischenthema: geheimnisvoll, spannend und irgendwie auch ein bisschen schräg
Der Erfolg meines Debütromans hat vermutlich auch mit dem damals noch relativ neuen Thema Geocaching zu tun. Da gab es etwas Geheimnisvolles, Spannendes und irgendwie auch ein bisschen Schräges, das sich zunehmender Beliebtheit erfreute. Anfangs hatte ich Bedenken, das Geocaching so stark in die Öffentlichkeit zu bringen. Aber nur wenige Tage vor meinen Knochenfindern erschien Ursula Poznanskis „Fünf“, in dem es ebenfalls um Geocaching geht. Die beiden Bücher haben sich auf dem Markt sicherlich gut ergänzt.
Die Recherche für das Buch war sehr umfangreich, da meine Ermittler möglichst realitätsnah handeln sollten. In diesem Punkt habe ich großes Glück mit der Polizei in meiner Heimatstadt Siegen, und ich bekomme auch heute noch Antworten auf die unmöglichsten Fragen. Recherche gehört übrigens zu meinen liebsten Disziplinen beim Romanschreiben und ich muss mich oft sehr zusammenreißen, damit ich darüber die Textarbeit nicht vernachlässige.
Zum Geocaching selbst musste ich kaum recherchieren, da ich zu dieser Zeit wirklich viel unterwegs war, um große und kleine Dosen zu suchen. Für Kenner habe ich übrigens ein kleines Easter-Egg im Buch versteckt und ich freue mich immer wieder, wenn es jemand entdeckt.
Zweite Runde im Selfpublishing
Vor sechs Jahren erschien „Knochenfinder“ bei Bastei Lübbe und verkaufte sich ganz ordentlich. Doch alles hat seine Zeit, das Verlagskarussell dreht sich weiter, und so fielen im vergangenen Jahr die Rechte der Knochenfinder wieder an mich zurück.
Da ich mit einem Pseudonym bereits gute Erfahrungen im Selfpublishing gemacht habe, war für mich klar, dass die Knochenfinder eine zweite Runde drehen werden. Also habe ich mir von meiner Wunschdesignerin Claudia Toman ein Cover erstellen lassen und den Inhalt noch einmal überarbeitet und angepasst. Den Buchsatz habe ich ebenfalls neu gemacht und hatte überraschend viel Spaß dabei.
Seit Anfang des Monats ist nun sowohl das E-Book als auch das Taschenbuch überall erhältlich; für den Vertrieb im Buchhandel arbeite ich mit einem Dienstleister zusammen und biete den Leserinnen und Lesern so den gewohnten Komfort und hohe Qualität.
Das Selfpublishing bereitet mir so viel Spaß und Zufriedenheit, dass ich meine im Herbst startende neue Reihe mit der Psychologin Nike Klafeld direkt ohne Verlag herausbringen werde.
Über Melanie Lahmer
Melanie Lahmer, geboren 1974 in Rotenburg/Fulda, studierte Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie und lebt mit ihrem Mann und den drei Töchtern in ihrer Wahlheimat Siegen.
Ihr Debütroman „Knochenfinder“ wurde von der Kunststiftung NRW mit einem Literaturstipendium ausgezeichnet und war Quartalssieger beim Amazon-Autorenpreis „Entdeckt!“. „Kuckucksbrut“, der zweite Fall für Natascha Krüger und ihre Kollegen von der Siegener Kripo, erschien ebenfalls bei Bastei Lübbe.
Ende 2018 startet eine neue Krimi-Reihe mit der Psychologin Nike Klafeld.
Mehr Infos zu Melanie Lahmer und ihrer Arbeit findet ihr auf ihrem Blog: www.siegerland-krimis.de
Außerdem ist sie auf Facebook und unter @siegenkrimi auf Twitter und Instagram zu finden.
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