Beitragsbild Autorin des Monats mit Foto von Kerstin Rachfahl

Autorin des Monats: Kerstin Rachfahl

Unsere Autorin des Monats Juni begeistert ihre Leser*innen mit einer Vielzahl von Genres, darunter Krimis, Liebesromane und Fantasy. In ihren Geschichten beschäftigt sich Kerstin Rachfahl mit den verschiedensten gesellschaftlichen Themen und stellt diese auf eine einfühlsame Art dar. Im Interview spricht Kerstin über die Bedeutung von Happy Ends, wie das Schreiben ihr Leben beeinflusst und gibt wertvolle Tipps, wie man sich aus einer Schreibblockade befreien kann.


Was hat dich dazu inspiriert, mit dem Schreiben zu beginnen und wie hat sich diese Entscheidung auf dein Leben ausgewirkt?

Alles startete mit einem Wochenendkurs über die Kunst des Erzählens von Professor Otto Kruse in Erfurt. Mein Mann, sah mir an, dass ich eine Auszeit von meinem Alltag brauchte, um Kraft zu tanken. Wellness ist nichts für mich, doch der Kurs sprach mich sofort an. Es war, als hätte jemand eine Tür in mir geöffnet, die ich lange verschlossen hielt. Am Anfang des Kurses stellte er jedem die Frage, was er von dem Kurs erwartete. Meine Antwort lautete, dass ich wissen möchte, ob ich das Zeug zu einer Bestsellerautorin habe, ansonsten würde ich erst gar nicht die Zeit in das Schreiben stecken. Er lachte und sagte, dass läge ganz allein in meiner Hand.

Heute weiß ich, dass das Schreiben etwas ist, dass von Tief in mir an die Oberfläche kommt. Ich liebe es Geschichten zu erzählen. Bücher laden uns zum Träumen und Nachdenken ein. Wir entspannen uns, fliehen aus unserem Alltag, vertreiben die Langeweile oder Lernen beim Lesen. Manchmal zeigen sie uns andere Perspektiven auf und geben uns den Mut für Veränderung. Beim Schreiben schöpfe ich Kraft und Kämpfe gegen die negative Berichterstattung der Medien an, die lauter Untergangszenarien aufzeigen. Aber das ist nicht die Realität, sondern auch nur eine Geschichte, die sie erzählen. Autorin zu sein ist der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann, auch wenn es nicht leicht ist, damit Geld zu verdienen.

Deine Geschichten umfassen eine Vielzahl von Genres. Wie gelingt es dir dich in unterschiedliche Themen und Stile einzuarbeiten? Gibt es auch ein Genre, an das du dich gar nicht herantraust?

Ich glaube gar nicht, dass es verschiedene Genres sind. Es ist immer eine Liebesgeschichte, doch meine Protagonisten stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Mal kämpfen sie gegen Wirtschaftsverbrechen, mal gegen die Dunkelheit, die in jedem von uns existiert. Doch immer geht es um Liebe, das Vertrauen, Familie und Freundschaft. Ich schreibe, was mir am Herzen liegt und erst wenn das Buch fertig ist, überlege ich, in welche Genre Schublade es passen könnte. Die schlechteste Idee, wenn du vom Schreiben leben möchtest. Doch ich hoffe, dass ich Menschen mit meiner Art Geschichten zu erzählen, fesseln kann.

Ein Genre, indem ich niemals schreiben werde, ist Horror. Da würde ich mir selbst vor Schiss in die Hosen machen. Denn beim Schreiben tauche ich in meine Figuren ein, ich sehe die Geschichte wie in einem Film vor meinen Augen ablaufen und wenn ich schlafe, träume ich davon. Als Kind hatte ich oft Albträume und bin noch mit zwölf Jahren bei meinen Eltern ins Bett gekrochen. Mein Papa hatte dann die Nase voll und erklärte mir, dass ich die Macht besitze in meinen Träumen das mutigste und stärkste Mädchen der Welt zu sein. Das setzte ich dann um. Schon lustig, wie man seine eigenen Gedanken beeinflussen kann. Ab da kam kein Vampir mehr an mich ran.

Das wiederkehrende Thema in deinen Werken ist die Frage "Was wäre wenn?". Wie nutzt du diese Frage, um deine Leser*innen zum Träumen und Nachdenken anzuregen?

„Was wäre wenn“ ist eine mächtige Frage. Sie öffnete deinen Geist und du siehst Möglichkeiten statt Probleme. Es gibt keine Grenze, keine Regel, nichts, was dich einschränkt. In unserer Gesellschaft haben wir verlernt uns diese Frage zu stellen. Umso wichtiger finde ich ist, dass wir mit unseren Büchern die Leserschaft einladen, quer zu denken und die Vielfalt der Kulturen sowie der Umgang miteinander aufzuzeigen. Wenn ich etwas lese und mich in eine Figur hineinversetze verstehe ich oft leichter, was okay ist und was nicht, weil ich mich mit ihnen identifiziere.

In meiner Bundespräsidentin habe ich auf diese Weise den Nah-Ost-Konflikt gelöst. Vielleicht sollten sich die Regierungschefs daran ein Beispiel nehmen. In dem zweiten Band der Sondereinheit Themis: Der Terrorist, kam dann ganz unerwartete für mich die Frage auf, was wäre, wenn es dein Sohn ist, der zu einem Terroristen wird? Wie kann das passieren, was bedeutet es für die Familie und wie könnte ihr Leben danach aussehen? Ich las dafür Literatur von einem israelischen Professor, die mich tief beeindruckte, weil er aufzeigte, dass ein Auslöser für Terrorismus die Hoffnungslosigkeit ist, die Ausgrenzung aus der Gesellschaft und der Machtanspruch von wenigen, die andere in ihrem Sinn manipulieren.

In meiner neuen Liebesroman-Trilogie Wintergrün wagte ich dann für mich einen ganz großen Schritt und versuchte mir vorzustellen, wie es ist nach einem Unfall gelähmt zu sein. Zum Glück hatte ich am Ende Juliane, die das Sensitivity Reading übernahm und einiges korrigierte. Meine Lektorin kam dann auf die Idee, das Wort Rollstuhl aus der Geschichte rauszunehmen. Anina selbst verwendet das Wort Rolli, wie es uns Juliane erklärt hat. Das eine Wort, hat für mich die Geschichte um 180 Grad gedreht. Auf einmal sah ich Anina und nicht mehr die Frau im Rollstuhl. Eine starke Frau, die ihr Schicksal annimmt und doch auch damit hadern darf.

Wir brauche mehr diverse Geschichten, doch es ist schwer, sich in das Leben eines Menschen reinzudenken, wenn du keine Vorstellung davon hast. Deshalb fände ich es schön, wenn wir toleranter miteinander umgehen und Fehler akzeptieren, ohne gleich Autor*innen zu unterstellen sie würden sich eine Kultur aneignen oder wären ein Rassist.

Deine Bücher verzaubern allesamt mit Happy Ends. Warum ist dir ein Happy End wichtig? Könntest du dir auch vorstellen, eine Geschichte ohne Happy End zu schreiben?

Ihr habt keine Ahnung, wie schwer es ist ein Happy End zu schreiben. Wie oft saß ich am Ende da, raufte mir die Haare und fragte mich, verdammt nochmal, wie soll ich das jetzt lösen? Wenn ich da nur an Skylar aus Tisiphones Tochter denke. Eine Auftragskillerin. Ja, sorry, wie soll ihr denn ein Happy End zaubern? Vor allem, wenn sie sich ausgerechnet in den Mann verliebt, dessen Job es ist, sie zur Strecke zu bringen? Da werfe ich doch meine gesamte Moral über Bord. Einer meiner spannendsten Leserunden, kann ich euch sagen, denn ich wollte wissen, ob meine Leserschaft sich in Skylar hineinversetzen kann. Natürlich möchte keine zugeben, dass sie das Zeug zu einem Serienkillerin hat. Und da sind wir wieder bei der Frage: Was wäre, wenn? Es sich nur mal vorzustellen und dann zu spüren, wow ich kann es verstehen. Das ist eine gruselige Begegnung mit unserer dunklen Seite, die in jedem Menschen existiert. Umso mehr freue ich mich über mein eigenes langweiliges Leben, dass mich nie vor diese Frage gestellt hat.

Um die Frage zu beantworten. Ja, ich kann mir vorstellen eine Geschichte ohne Happy End zu schreiben, doch ich liebe die Herausforderung es nicht dazu kommen zu lassen. Abgesehen davon, hätte ich dann mit meinem Mann ein echtes Problem, der liebt nämlich Happy Ends. Ein echter Romantiker.

Du verarbeitest in deinen Büchern die verschiedensten gesellschaftlichen Themen. Warum ist es dir besonders wichtig, diese Themen in deinen Geschichten einzubinden und wie hoffst du, dass deine Leser*innen darauf reagieren?

Empathie bedeutet, dass wir uns in die Haut eines anderen hineinversetzen können. Wir sind in unserer eigenen Welt gefangen und manchmal fehlt uns die Fantasie uns vorzustellen, was in unserem Gegenüber vorgeht. Das ist aber die Voraussetzung für ein tolerantes Miteinander. Meine eigene Freiheit reicht nur so weit, wie sie andere in ihrer Freiheit einschränkt oder andere Rechtsnormen verletzt. In meinen Büchern lernen meine Figuren, dass sie selbst die Verantwortung für ihr Leben tragen. Dass es jede Menge Situationen gibt, die sich ihrer Kontrolle entziehen, dass sie jedoch entscheiden, wie sie damit umgehen. Das macht für mich eine Heldin aus. Nicht, dass sie mit dem Schwert kämpft und jede Menge Feinde in den Tod schickt, sondern dass sie genau das Schwert nicht in die Hand nimmt oder ihre Macht missbraucht.

Mein Opa hat drei Mal in seinem Leben alles verloren und zwei Mal von vorne angefangen. Er ist mein Vorbild bei jeder Geschichte, die ich schreibe. Ich liebe es meinen Figuren alles wegzunehmen, ihnen eine einfache Lösung aufzuzeigen, die aber nicht funktioniert. Sie müssen tüfteln, wachsen daran und ich weiß, dass meine Leserschaft genau das für sich erkennt.

Ich hatte mal eine Begegnung mit einer Leserin, die mir sagte, dass meine Geschichte ihr geholfen hat, mit etwas, das ihr Leben belastete, Frieden zu schließen. Eine andere schrieb mir, dass sie seit zwanzig Jahren Pferde hat und nach dem Lesen des Pferderomans in den Stall ging und ihre Pferde mit anderen Augen betrachtete. Ist es nicht der helle Wahnsinn wie du mit Geschichte das Leben von Menschen berühren kannst? Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass wir als Autor*innen mit unseren Geschichten eine Verantwortung tragen. Meine Frauen brauchen keine Prinzen, die sie retten. Das schaffen sie allein. Manchmal ecke ich, damit an und Fans schreiben mir, dass meine Heldin zu stark ist. Für mich ein Zeichen, dass wir noch viel mehr solcher Bücher brauchen.

Du schreibst auf deiner Website von dem unheilvollen Moment, in dem man am liebsten alles was man bereits geschrieben hat wieder löschen könnte. Wie gehst du mit solchen Momenten um und hast du Tipps für andere Autor*innen um solche Selbstzweifel zu überwinden?

Meine Selbstzweifel nähren sich aus vielen Quellen. Der erste Schritt für mich war herauszufinden, woher sie kommen. Sie schlagen in der Mitte der Geschichte zu, weil ich da am leichtesten zu verunsichern bin. Am Anfang trägt mich die Begeisterung für die Idee. Am Ende finde ich es spannend, wie alles zusammenpasst. Das hat was von Magie.

Zurück zu der Frage. Die Mitte ist schwierig, weil ich mich da oft in eine Ecke geschrieben habe und ich selbst nicht weiß, wohin mich die Geschichte eigentlich führen möchte. Entsprechend gibt es verschiedene Techniken, die ich anwende.

  • Es ist normal, dass du das fühlst. Schreib weiter und wenn es doof ist, kannst du es löschen.
  • Du schreibst die Geschichte für dich und nicht für andere. Es ist egal, was andere darüber denken.
  • Wo stehen meine Figuren und wie kann der Konflikt weitergehen? (Skizzen und Mindmaps)
  • Worum geht es dir in der Geschichte? (Perfekter Zeitpunkt, um meine Geschichte in maximal zwei Sätzen zusammenzufassen).
  • Schreiben von Bulletpoints zu dem, was noch kommen soll.
  • Die Geschichte von Anfang an lesen und weiterschreiben.
  • Mir all die Bücher anschauen, die ich schon geschrieben habe und darauf vertrauen, dass ich es auch diesmal schaffe.

Selbstzweifel ist meiner Ansicht nach die größte Herausforderung vor der wir Autor*innen in unserem Beruf stehen. Es ist daher sinnvoll weiter herauszufinden, was dich blockiert. Es kann die Angst vor der Ablehnung sein. Das passiert, wenn du vergisst, deine Person von dem Werk zu trennen. Es gibt Autor*innen, die mit dem ersten Buch einen riesigen Erfolg landen und es danach nicht mehr schaffen ein weiteres Buch zu schreiben aus Angst ihre Fans zu enttäuschen. Elizabeth Gilbert hat einen berühmten TED-Talk, wo sie darüber erzählt und ihr Buch Big Magic höre ich immer mal wieder.

Doch ich bin auch an einem Projekt gescheitert. Der Anfangsband meiner neuen Fantasy-Trilogie, bei der ich nach 50.000 Wörter aufgehört habe zu schreiben. Stattdessen schrieb ich die Geschichten von Imperfectly Perfectly Amelia. Einer mehrgewichtigen Frau, die für alle da ist, nur nicht für sich selbst. Die Stück für Stück begreift, dass es ihre Gedanken sind, die sie zurückhalten und nicht eine Zahl auf der Waage. Eines meiner persönlichsten Bücher, weil mich die Angst mehrgewichtig zu sein, lange Zeit begleitete. Vielleicht schreibe ich die Fantasy Reihe irgendwann. Vielleicht auch nicht. Wenn das der Fall ist, dann verzeihe ich mir das gleich mal selbst und sage mir, dann sollte es nicht sein.

Immer wieder stelle ich mir die Frage, wieso schreibst du? Dein Geld verdienst du viel leichter mit jedem anderen Job. Berühmt wirst du auch nicht davon. Mit jeder Geschichte stellst du dich der Kritik anderer und riskierst verletzt zu werden. Also wieso all die Arbeit, Zeit und in meinem Fall auch Geld in das Buchprojekt stecken? Wie lautet deine Antwort? Bei mir ist die Antwort zweigeteilt. Einmal gibt es in mir eine tiefe Sehnsucht Geschichte zu erzählen. Es steckt in mir drin und verfolgt mich im Alltag. Selbst, wenn ich dir von einem Einkauf erzähle, würde ich daraus eine Geschichte stricken. Oder anders ausgedrückt, ich lüge, schmücke aus, dass sich die Balken biegen. Ich liebe es im Mittelpunkt zu stehen und Leute zu unterhalten. Auf der anderen Seite möchte ich Menschen mit meinen Büchern berühren und ihn Mut machen, ihr Leben zu lieben, weil es wertvoll ist und dass es sich lohnt dafür einzustehen.

Warum hast du dich für tolino media entschieden?

Ich habe mich riesig gefreut als der deutsche Buchhandel zusammen mit der Telekom entschied eine eigene Online-Plattform für Bücher aufzubauen. Jedes Jahr kam ich auf den Stand und fragte: „Bietet ihr eine Lösung für Selfpublisher?“ – Irgendwann lautete die Antwort ja. Juhu. Es dauerte dann eine Weile, bis ich den Mut fand, den Schritt aus der Exklusivität von Amazon zu wagen. Ihr seid ein super Team und setzt euch unglaublich für die Autor*innen auf eurer Plattform ein. Eure Begeisterung für die Bücher, die persönliche Ansprache und die Tipps helfen mir mein eigenes Profil als Autorin zu schärfen. Gleichzeitig behalte ich bei euch die Freiheit alles selbst zu gestalten und weiterhin die Verantwortung für meine Bücher zu tragen. Ich bekomme Zugang zu einer anderen Leserschaft und zum Buchhandel. Damit kann ich mich breiter aufstellen. Meine Fans entscheiden selbst über welche Plattform sie die Geschichten von mir lesen. Ihnen diese Freiheit zu geben, war mir sehr wichtig.

Weitere Informationen über die Autorin Kerstin Rachfahl findet ihr auf Instagram und auf ihrer Website.

Unsere Autorin des Monats Mai: Melissa Ratsch 

Autorin des Monats: Melissa Ratsch

Katrin Fleischmann
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