Pitchen: Die Kunst, Ihre Geschichte in einem Satz zu erzählen

Der Pitch ist ein Satz, der Ihr Buch vorstellt. Der freie Lektor Hans Peter Roentgen weiß, worauf es beim perfekten Pitch ankommt.

Pitches können als Untertitel Ihres Buches dienen oder den Klappentext einleiten. Wenn ein Freund oder Journalist fragt, worum es im Buch geht, müssen Sie ihm das in einem Satz erklären können.

Pitchen ist Kurzstrecken-Texten

Und wofür brauchen Sie diesen Pitch? Sie brauchen ihn als Nagelprobe für Ihr Projekt. Die Bestseller-Selfpublisherin Nika Lubitsch sagt: „Ein Film, den du nicht in einem Satz zusammenfassen kannst, wird ein Flop. Das gilt für mich auch für ein Buch.“ Sie hat Recht.

»Ja, da gibt es einen Mord und der Kommissar hat einen falschen Verdacht und ach ja, da wird auch noch Falschgeld gefunden und der Kommissar verliebt sich …« Mit diesem Satzungetüm werden Sie keine neuen Leser und Fans gewinnen.

Worum geht es in Ihrer Geschichte?

Ich habe auf der Frankfurter Buchmesse als Experte für Exposé und Klappentext etliche Autorinnen und Autoren im Speed-Dating betreut. Die allerwenigsten konnten mir auf Anhieb sagen, worum es in ihrem Buch ging.

In Deutschland gelten Bücher als platt, deren Konflikt man in einem Satz darstellen kann. Aber das Gegenteil ist richtig. Um ein Buch in einem Satz vorzustellen, erfordert es Können. Sie müssen den Kern des Buches erfassen und ihn so darstellen, dass der Leser mitgerissen und neugierig gemacht wird.

Natürlich kauft niemand ein Buch allein aufgrund des genialen Pitchs. Aber er reizt die LeserInnen in der Buchhandlung, das Buch aufzuschlagen, oder in Online-Shops die Leseprobe anzuklicken.

Der Konflikt als Pitchgeburtsstunde

Und was gehört in den Pitch? Der Konflikt. „Sie brachte eine kleine Stadt auf die Beine und zwang ein großes Unternehmen in die Knie“. Das ist ein Pitch von „Erin Brokovich“. Nur der Konflikt, keine Details: nicht, welche Chemieabfälle der Konzern in die Umwelt abgelassen hat, nicht, welche Auswirkungen das hat. “ Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – hier ist der Titel gleichzeitig der Pitch. Beide Pitchs wecken Assoziationen im Leser.

Und wo beginnt Ihre Geschichte? Der Beginn Ihrer Geschichte kann einen guten Pitch liefern. Im Falle des Hundertjährigen ist es der Moment, in dem er aus dem Fenster steigt und verschwindet. Dieser Beginn stimmt gleichzeitig auf den Konflikt ein: Der Held des Buches will nicht mehr in dem Altenheim wohnen. Das steht zwar nicht im Pitch, aber die LeserInnen assoziieren es trotzdem.

Assoziationen und Atmosphäre

Ein Pitch soll Assoziationen wecken. Der Pitch ist keine Nacherzählung, sondern ein Satz, der Emotionen und Assoziationen im Leser wecken muss. Und eine Frage: Was wird passieren? Wer die Antwort wissen will, muss das Buch lesen.

„Nora Winter hat Angst vor Büchern, und das aus gutem Grund: Was sie liest, muss sie am eigenen Leib erleben.“ (Noras Welten, Madeleine Puljic, Gewinnerin des Deutschen Selfpublishing-Preises 2017)

Damit der Pitch Assoziationen weckt, muss er Atmosphäre haben. Der Hundertjährige hat Witz, denn niemand erwartet, dass der Hundertjährige aus dem Fenster steigt und verschwindet. Wogegen Erin Brokovich weniger Witz, dafür mehr knallharte Konfrontation erwarten lässt. Jeder gute Pitch hat Atmosphäre.

Stil und Wortwahl

Im Pitch ist Stil und Wortwahl noch viel wichtiger als im Roman.

„Noras Leiden besteht aus einer ausgeprägten Phobie vor in Worte gedruckten Geschichten: Sie erleidet bei lesender Tätigkeit eine Versetzung des Erlebens in die real ausgestaltete Welt.“

Dieser Pitch wirkt nicht, obwohl er das gleiche sagt wie das Orginal. Warum? Weil er klingt, wie ein wissenschaftlicher Aufsatz. Er weckt keine Assoziation. Ein Pitch sollte einfache Worte verwenden, Verben statt Substantive, um lebendig zu klingen. Viele Adjektive machen einen Pitch nicht besser. Streichen Sie komplizierte Worte aus Ihrem Entwurf. Arbeiten Sie mit aktiven Verben, mit einfachen Substantiven. Streichen Sie Adjektive, die sie nicht brauchen. Ein Thomas-Mann-Stil ist fehl am Platz.

Emotionen wecken

Der Pitch soll im Gegenüber einen Film ablaufen lassen. Er muss Emotionen ansprechen, etwas Ungewöhnliches versprechen, eine Frage aufwerfen. Sein Ziel ist es, ZuhörerInnen oder  LeserInnen zu packen. Damit sie sich für das Buch interessieren und es aufschlagen.

„Erin Brokovich, 35, entdeckt ein Geheimnis, das Auswirkungen hat, die niemand geahnt hätte“, wäre wenig wirkungsvoll, weil es 08/15 ist.

Weitere kommentierte Beispiele, Interviews mit Bestseller-Autoren und andere Möglichkeiten, Pitch und Klappentext zu gestalten, finden Sie im neuen eBook „Klappentext, Pitch und anderes Getier“ (via tolino media).

 

Hans Peter Roentgen hat mit »Vier Seiten für ein Halleluja« und »Drei Seiten für ein Exposé« Standardwerke über das Schreiben veröffentlicht, coacht seit vielen Jahren AutorInnen und ist Koordinator der AG Self-Publishing im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL). Mehr Informationen finden sich in seinem Blog: www.hproentgen.wordpress.de

Lesen Sie unser Interview mit Hans Peter Roentgen zum Thema Lektorat.

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2 thoughts on “Pitchen: Die Kunst, Ihre Geschichte in einem Satz zu erzählen

  1. Wie immer, wenn Hans Peter Roentgen sich zum Autorendasein äußert: kurz, bündig, kompetent. Ein sicherer Kurzleitfaden der zeigt, wie man als Autor das Marketing seiner Werke klug angehen kann. Gerade wichtig für Selfpublisher.

  2. Ich finde, dass man den Pitch bereits während der Entwicklung seiner Geschichte parat haben sollte – allerspätestens jedoch bei der Planung des Klappentextes. Der Inhalt ist in diesem Beitrag toll zusammengefasst! Viele Grüße, Bastian

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